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Abschiebung einer integrierten Familie – Mutter wollte Krankenpflegerin werden

Abschiebung einer integrierten Familie – Mutter wollte Krankenpflegerin werden

Schwerte. Die Abschiebung einer Familie nach Bangladesch sorgte in den vergangenen Wochen für viel Aufmerksamkeit. Die Familie war in Schwerte integriert, die Tochter lebte fast ihr ganzes Leben in Deutschland. Die Mutter wollte sogar eine Ausbildung zur Krankenpflegerin machen. 

Bianca Dausend.

Mich macht weiterhin fassungslos, auch wenn die Abschiebung rechtlich einwandfrei ist, dass eine Familie, die alle Integrationsbemühungen unternommen hat, um Teil unserer Gesellschaft zu werden, abgeschoben wird“, kommentiert in diesen Tagen die stellvertretende Bürgermeisterin Bianca Dausend (CDU) den Fall. „Auf der einen Seite wird von allen Seiten gebetsmühlenartig sprachliche und kulturelle Integration gefordert und wenn eine Familie genau dies unternimmt, sich sprachlich und kulturell integriert, ehrenamtlich engagiert ist, dann findet niemand die rechtliche Chance, dieser Familie und damit uns die Chance zu geben, bereichert zu werden.“

Der Kreis Unna kommentiert derweil durch seinen Sprecher Volker Meier: „Für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gab es keinen rechtlichen Spielraum. Auch für humanitäre Bleiberechte wie die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a oder § 25b AufenthG, lagen die Voraussetzungen der Bleiberechtsregelungen nicht vor.“

Mutter wollte Pflegerin werden

Nicht zuletzt durch die Corona-Pandemie stand der Pflegekraftmangel immer wieder in der öffentlichen Diskussion. Besonders bizarr: „Es hätte für die Mutter, die Möglichkeit der Ausbildung zur Krankenpflegerin bestanden, aber leider wurde dies mit Hinweis auf mangelnde Mitwirkung versagt“, weiß Dausend.

Dabei sei es für die Frau, die sich auch in der Evangelischen Kirchengemeinde Schwerte engagierte, selbstverständlich gewesen, sich fort- und weiterzubilden, immer in der Hoffnung einen Bleibestatus zu erhalten. Bianca Dausend fragt sich: „Was ist nur los in unserem Land, wenn die Willigen, die Bemühten, die Engagierten und Fleißigen keine Chance bekommen?“

Abschiebung in Nachtaktion

Die Familie wurde in einer nächtlichen Aktion abgeschoben. Auch dieses Vorgehen sorgte für Kritik. Der Kreis Unna betont derweil die rechtliche Korrektheit – anderslautende Äußerungen ließ er mittels einer Fachanwaltskanzlei für Medienrecht abmahnen. Kosten in Höhe von 2.380 Euro brutto seien dem Kreis dafür entstanden, heißt es.

Während der Abschiebung, auf dem Weg zum Flughafen, musste sich die Tochter der Familie übergeben. Für die Ausländerbehörde war das kein Grund, das Auto anzuhalten. Der Zeitraum vom Erbrechen bis zur Ankunft an der Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld betrug wenige Minuten. Die Mitarbeiter der Zentralen Ausländerbehörde Unna erklärten im Wagen, dass man sich auf der Autobahn befinde und man daher nicht einfach anhalten könne“, so Meier. Die Durchsuchung der Wohnung habe das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen im Übrigen angeordnet. Meier betont die Rechtmäßigkeit: „Nach allem war die Maßnahme äußerst sorgfältig vorbereitet und rechtmäßig.“

„Es geht hier nicht nur um die Frage, ob etwas rechtlich einwandfrei ist. Hier geht es auch um die Frage: Wie wollen wir in Deutschland leben? Und ich für meinen Teil kann nur sagen: Gerne mit Zuwanderung, die unser Land liegt, die Sprache spricht und deren Kinder Deutsche im Sinne der gesellschaftlichen Partizipation sind“, dementiert Bianca Dausend.

Ministerium schweigt

Die Integration der Familie in Schwerte kann durchweg als gelungen bezeichnet werden. Das Kinder der Familie wurde in der EU geboren, kam mit einem Jahr nach Deutschland. Das Mädchen besuchte in Schwerte die Kita-Windrad über drei Jahre und verstand als Grundschulkind in Villigst Deutsch als ihre Muttersprache. Sie ist eingebettet ist in Deutschland.  „Dass sie jetzt ihre Heimat verliert – das ist für mich das Bitterste, das ich seit langem erlebt habe“, zeigt sich Dausend enttäuscht.

Sie hat sich daher auch an das Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration in NRW gewandt. Fragen hat das Ministerium unserer Redaktion auf Nachfrage nicht beantwortet. „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu Einzelfällen grundsätzlich nicht äußern können“, teilte ein Sprecher mit.

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