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Prozess gegen Ärzte: Verfahren eingestellt – 2.000 Euro ans Hospiz

Prozess gegen Ärzte: Verfahren eingestellt – 2.000 Euro ans Hospiz

Der Prozess fand vor dem Schöffengericht in Hagen statt.

Schwerte. Der Vorwurf wog schwer: Zwei Ärzte aus dem Marienkrankenhaus in Schwerte sollen Ende September 2017 den Tod eines Seniors (79) verschuldet haben. Sie waren am Montag (25. April) vor dem Schöffengericht Hagen wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Ergebnis: Ein Strafverfahren wurde ohne Geldauflage, das andere Strafverfahren mit Geldauflage eingestellt. Doch damit ist diese Geschichte womöglich noch nicht aus der Welt: Jetzt könnten auch Ermittlungen auf den Chefarzt des Marienkrankenhauses zukommen, kündigte Staatsanwalt Michael Burggräf noch im Gerichtssaal an.

Vier Stunden hatte die Beweisaufnahme gedauert, um den fast fünf Jahre zurückliegenden Vorfall aufzuklären: Am 26. September 2017 war der Senior aus Schwerte nach einem Treppen-Sturz schwer verletzt in die Notfallaufnahme des Marienkrankenhauses eingeliefert worden. Bei der radiologischen Untersuchung seines rechten Brustkorbs stellte die angeklagte Assistenz-Ärztin eine Serienfraktur, also mehrere gebrochene Rippen, fest. Am darauffolgenden Tag hatte sich der mitangeklagte Oberarzt und Doktor um den Patienten zu kümmern: Der 79-Jährige wurde liegend in seinen Patientenbett geröntgt. Und genau das war ein Kunstfehler – so der medizinische Sachverständige Dr. Jürgen Bong (63, Olpe) in seinem Gutachten. Denn: Bei liegenden Patienten sei ein lebensgefährlicher Pneumo-Thorax auf dem Röntgenbild nur schwer erkennbar. Deshalb hätte man die Röntgenaufnahmen „zumindest im Sitzen, besser noch im Stehen oder im CT durchführen müssen.“

Außerdem hätten die Ärzte auch die ganz plötzlich aufgetretene Desorientierung des Seniors analysieren müssen: Lag das an dem Morphium-Medikament? Oder, weil die Atmung schon nicht mehr funktionierte? Der Gutachter: „Die Ursachenerforschung ist nicht adäquat erfolgt.“ Der ältere Herr verstarb am 1. Oktober 2017, am fünften Tag nach seiner Einlieferung ins Marienkrankenhaus. Vorsitzender Richter Michael Brass hakte nach: „Hätte der Patient mit großer Wahrscheinlichkeit noch leben können?“ Die Antwort des Sachverständigen Dr. Bong war eindeutig: „Wäre der Pneumo-Thorax entdeckt worden und wäre die Lunge wieder entfaltet worden, wäre er nicht verstorben.“

Das Verfahren gegen die seinerzeitige Assistenz-Ärztin (39) wurde ohne Auflagen eingestellt. Ihr Verschulden bezeichnete Staatsanwalt Michael Burggräf als „einen Fehler am untersten Rand“. Auch das Verfahren gegen den Doktor (61), der 17 Jahre lang als Leitender Oberarzt im Schwerte tätig war, könnte noch eingestellt werden: Wenn er als Geldauflage 2.000 Euro an den Hagener Hospiz-Verein zahlt. Das Verschulden dieses Angeklagten sei erheblicher, befand der Staatsanwalt, „er hätte sich als Oberarzt das Röntgenbild angucken müssen“. Eigentlich wäre ja der Chefarzt dafür zuständig gewesen. Doch der befand sich zum fraglichen Zeitpunkt zuhause, „im Hintergrunddienst“ und hatte die Verantwortung an den Vertreter delegiert: „Mach du das!“ Was demnächst vielleicht noch Konsequenzen für den Chefarzt haben könnte.

Die Witwe des Verstorbenen und ihr Sohn, die als Nebenkläger im Gerichtssaal saßen, wirkten geradezu fassungslos über den Ausgang des Verfahrens. Ihr Anwalt Dr. Stefan Lindenberg (Kanzlei Münch und Partner, Schwerte) erklärte: „Dieses Hin- und Herschieben von Verantwortung, wie hier jeder mit dem Finger auf den anderen gezeigt hat, ist unerträglich. Aber wir haben aufgrund des Organisationsverschuldens des Marienkrankenhauses jetzt gute Karten, zivilrechtliche Ansprüche geltend machen zu können.“

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