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Überfall auf Netto in Geisecke: Jetzt sitzt Ex-Netto-Mitarbeiter als brutaler Räuber vor Gericht

Überfall auf Netto in Geisecke: Jetzt sitzt Ex-Netto-Mitarbeiter als brutaler Räuber vor Gericht

Schwerte –  Kurz geschorenes Haar, ausgeprägte Geheimratsecken, weißes Oberhemd – geradezu brav wirkt Ferdinand L. (24) auf der Anklagebank, während er sich mit seinem Verteidiger Hans-Peter Maas (Dortmund) bespricht. Der Mann aus Kasachstan, der fast akzentfrei Deutsch spricht, hatte früher mal bei Netto in Geisecke gearbeitet. Das Geschäft soll er Anfang Oktober erneut betreten haben, doch diesmal nicht als Verkäufer, sondern mit schwarzer Sturmhaube maskiert und einer Waffe in der Hand. Wurde der ehemalige Netto-Mitarbeiter an diesem Tag zum Netto-Räuber?

Das Landgericht Hagen verhandelt derzeit den Vorwurf des schweren Raubes. Angeklagt sind zwei Männer, die am 12. Dezember 2018 einen Netto-Markt in Iserlohn ausgeraubt haben. Das haben sie gestanden. Nach der Tat wurden sie mit der 1300-Euro-Beute im Auto geschnappt. Einer der beiden Täter soll zwei Monate zuvor auch den Überfall auf die Netto-Filiale in Geisecke verübt haben. Das war am 5. Oktober.

Der Angeklagte (re.) mit seinem Verteidiger Hans-Peter Maas. Foto: Helmut Ullrich

20.59 Uhr, eine Minute vor Ladenschluss. Die drei Mitarbeiter der Netto-Discounter-Filiale „Zwischen den Wegen“ sind bereits in Feierabendstimmung und wollen gerade abschließen. Sie stehen im Kassenbereich, als plötzlich mit einem lauten Knall die Glastür hinter ihnen aufspringt. Zwei komplett maskierte Männer in dunklen Trainingsanzügen stürmen in den Laden, einer reißt von hinten die Kassiererin (57) nach unten: Sie muss vor ihm auf die Knie gehen, die Hände in den Nacken, den Kopf nach unten gebeugt. Ein Horror.

Streit um schwere Geldrollen

Auch ihre Kollegin, eine Verkäuferin (28), sowie der Schüler (17), der bei Netto als Aushilfe tätig ist, werden die schrecklichen Minuten wohl nie mehr vergessen. Auch sie sollen sich zunächst auf den Boden legen. Dann müssen alle drei aufstehen und die beiden Täter ins Büro zum Tresor führen. Dort haben sie sich erneut auf den Boden zu legen. Die Räuber, durch die Sehschlitze ihrer Sturmhauben sieht man nur ihre Augen, wirken sehr aggressiv. Einer fuchtelt bedrohlich mit einem Messer herum, der andere hat eine Pistole gezückt.

Der Messermann zwingt die junge Verkäuferin, die Geldscheine aus dem Tresor in eine mitgebrachte bunte IKEA-Tüte zu stopfen. Insgesamt 4.540 Euro. Sie fragt: „Die Geldrollen auch?“ Dadurch werden die Männer verunsichert, sie fangen an zu diskutieren. „Die haben sich in die Haare gekriegt, weil das Geld für die Tasche zu schwer war“, sagt die Kassiererin, die zusammen mit der jungen Aushilfe die ganze Zeit vom Pistolenmann bedroht wurde. Der 57-Jährigen geht es nicht gut, denn es ist bereits das zweite Mal, dass sie überfallen  wurde: „Da ist wieder alles in mir hochgekommen vom ersten Mal.“ Mit der Beute verlassen die beiden Räuber fluchtartig zu Fuß den Tatort.

Schwere psychische Folgen

Tränen kullern vor Gericht, als die Frauen von den psychischen Folgen, die sie durch den Überfall erlitten haben, berichten sollen. Die Jüngere schaffte es drei Wochen lang nicht alleine zu sein, sie quartierte sich mit Angstzuständen bei ihrer Mutter ein. Erst viereinhalb Monate nach der Tat konnte sie nach einer Eingliederungsmaßnahme erstmals wieder arbeiten. Ihre Kollegin ist bis heute noch in Behandlung. Sie war in einer Landesklinik und bei einer Therapeutin. Noch immer leidet sie unter Angst, Konzentrationsschwierigkeiten, kann nachts nicht schlafen. Einzig der junge Mann, der bei Netto als Aushilfe tätig ist, scheint den Raubüberfall „gut weggesteckt“ zu haben: „Ich gehe auch heute noch dort arbeiten, aber nicht mehr bis 21 Uhr.“

Der Prozess wird am 12. Juni fortgesetzt.

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