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„Faust – GANZ“: Theater am Fluss inszeniert Großprojekt

„Faust – GANZ“: Theater am Fluss inszeniert Großprojekt

Schwerte – Seine vielleicht aufwendigste Produktion seit Jahren bringt das Theater am Fluss derzeit auf die Bühne. Am Mittwoch, den 28. Februar hatte „Faust- GANZ“ Premiere. Der erste Teil von Goethes „Faust“ gehört mittlerweile zum Allgemeinwissen, fast jeder lernt im Deutschunterricht die Geschichte vom Gelehrten Dr. Faust, der seine Seele an den Teufel Mephisto verwettet, um das schöne Gretchen zu gewinnen. Dass es noch einen zweiten Teil von Faust gibt, ist weniger bekannt.

Hier reist Faust in Begleitung von Mephisto durch Zeit und Raum, auf der ständigen Suche nach Erkenntnis. Mal verschlägt es ihn in das mittelalterliche Deutschland, wo berauschende Feste gefeiert werden, mal in das antike Griechenland, wo er mythischen Kreaturen begegnet.

Eine anspruchsvolle Vorlage? Ja.

 Zugegeben, seichte Popcorn-Unterhaltung ist anders. Die Tragödie von Goethe galt schon vor knapp 200 Jahren als anspruchsvolle Literatur, der zweite Teil sogar als kaum umsetzbar. Dass ein Laientheater sich zum Ziel gesetzt hat, so ein Mammutprojekt zu realisieren, ist an sich schon bemerkenswert. Die vier Regisseure Lars Blömer, Stefan Schroeder, Alexander Lux und Sina Weber haben sich gemeinsam mit den Darstellern an diese Herausforderung gewagt. In rund vier Stunden breiten die Regisseure den Inhalt der kompletten Tragödie mit wenigen Kürzungen aus.

Da galoppieren Zentauren über die Bühne, Nymphen wechseln sich mit Hexen ab, es wird gefochten und gekämpft, geköpft, Krieg geführt, es werden Kaiser gestürzt, Menschen erschaffen, Menschen vernichtet, und vieles vieles mehr.

Herausforderung nicht nur für das Theater

Den Regisseuren gelingt es hervorragend, eindrucksvolle Bilder auf der Bühne zu erzeugen. Dem Publikum einen persönlichen Zugang zu Goethes Texten zu verschaffen, das gelingt nicht ganz so gut. Die altertümliche Sprache wird manchmal zu wenig durch das Bühnengeschehen erklärt. Eine Herausforderung für den wachen Geist der Zuschauer und auch der Schauspieler.

Wer es schafft, diese Originaltexte in Reimform zu lernen und so mit Leben zu füllen, wie es etwa Michael Rotthowe als Dr. Faust oder Nina Belligoi als Mephisto tut, dem gebührt Respekt.

Musik erschafft eigene Sprache

Stefan Bauer (li.) an der Gitarre und Thomas Kässens am Schlagzeug. – Foto: Lukas Pohland

Bereichert wird das Geschehen auf der Bühne durch die Musik von Stefan Bauer, die von ihm an der Gitarre und Thomas Kässens am Schlagzeug gespielt wird. Stimmungsvoll und leicht verträumt kommentiert die Musik die Handlung, zwischen den Texten von Goethe schafft sie eine ganz eigene Tonsprache, in der sich ungewöhnliche Soundeffekte und rockige Riffs abwechseln.

Der Zuschauer darf keine einfache Berieselung erwarten, volle Konzentration ist verlangt, um diesem Monumentalwerk von Anfang bis Ende zu folgen. Wenn man versuchen sollte, die vielen unterschiedlichen Episoden zu einer Botschaft zusammen zu führen, wäre es vielleicht diese: Es gibt sie nicht, diese eine ultimative Erkenntnis, weder in der Tragödie, noch im wahren Leben, Goethes „Faust“ ist zu tiefschichtig, zu vielseitig, um eine endgültige Deutung raus zu lesen, und bleibt trotz aller Mühen immer offen für eigene Interpretationen, eigene Gedanken. Oder um es mit Goethe zu sagen: „Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor.“

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