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​Vorwurf vom Staatsanwalt geplatzt: In Schwerte lebt kein Schleuserring-Mitglied

​Vorwurf vom Staatsanwalt geplatzt: In Schwerte lebt kein Schleuserring-Mitglied

Schwerte. Lebt in der City von Schwerte das Mitglied eines internationalen Schleuser-Ringes? Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Hagen mit dem Aktenzeichen 620 Js 383/19 lässt das vermuten. Doch vor dem Schöffengericht stellte sich das jetzt als falsch heraus.

Auf der Anklagebank sitzt ein 49-jähriger Mann, der in der Schwerter Innenstadt wohnt. Der sechsfache Familienvater lebt seit acht Jahren in Deutschland, doch seine Sprachkenntnisse sind noch immer so bescheiden, dass ihm das Gericht einen Türkisch-Dolmetscher zur Seite stellen muss. Im Dezember 2012 erhielt er „aus humanitären Gründen“ eine Niederlassungserlaubnis für die Bundesrepublik. Seitdem ist er den Behörden nicht weiter aufgefallen.

Mit falschen Papieren über vier Grenzen

Doch jetzt dieser harte Vorwurf gegen den Mann aus Schwerte: Er soll in der Zeit zwischen Ende November 2018 und Mitte Januar 2019 „Mitglied einer Bande“ gewesen sein und „Beihilfe zum gewerbsmäßigen Einschleusen von Ausländern“ geleistet haben. Sein Verteidiger Marc N. Wandt (Essen): „Mein Mandant bestreitet das, macht keine weiteren Angaben. Aber dieser Vorwurf ist mit sehr heißer Nadel gestrickt.“

Die Staatsanwaltschaft Hagen ging bislang davon aus: Der angeklagte Mann aus Schwerte hätte sich mit drei weiteren, gesondert verfolgten Mittätern zusammengeschlossen und seit Mai 2018 gegen hohe Geldbeträge Schleusungen organisiert. So wären türkische Staatsangehörige von ihm über Griechenland, Serbien und Ungarn nach Deutschland und von hier zum Teil auch weiter nach Großbritannien gebracht worden – unter Verwendung von falschen Ausweispapieren.

19.000 Euro für Schleusungen bezahlt

In diesem Zusammenhang sei es am 20. Januar 2019 zur illegalen Einreise von zwei türkischen Staatsbürgern gekommen, die zwei Tage später einen Asylantrag in Deutschland stellten. Die beiden Personen hätten für ihre Schleusung jeweils 9.000 Euro und 10.000 Euro gezahlt. Der angeklagte Schwerter soll an ihrer Einreise maßgeblich mitwirkt haben, indem er sie auf der Etappe von Serbien nach Ungarn transportierte und dort an den Hauptschleuser Izzet K. (40) übergab.

Dieser Mann, korpulent und mit langem Vollbart, sitzt seit 2018 im Gefängnis. Er wurde seinerzeit vom Landgericht Traunstein (Oberbayern) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt und jetzt im Prozess in Handschellen in den Gerichtssaal geführt: „Ich kenne den Angeklagten nicht, sehe ihn heute zum ersten Mal“, sagte er als Zeuge aus. Damit wurde es für das Schöffengericht schwer, die Beweiskette zu schließen.

Nur noch illegale Einreise naher Angehöriger

Zusätzlich stellte sich heraus, dass die beiden eingeschleusten Männer mit dem Angeklagten verwandt sind: „Deshalb wollte er sie unbedingt illegal nach Deutschland holen“, so Verteidiger Wandt. „Mein Mandant räumt nunmehr ein, dass er versucht hat, die Schleusung einzufädeln, weil er seinen beiden Verwandten helfen wollte. Aber eine aktive Beteiligung an einer Schleusung hat es nicht gegeben.“

Für Richter Michael Brass war der Tatvorwurf damit geschrumpft: Vom „bandenmäßigen gewerbsmäßigen Einschleusen von Ausländern“ blieb allenfalls noch eine „Beihilfe zur illegalen Einreise von nahen Angehörigen“ übrig. Das Gericht stellte daraufhin das Verfahren auf Kosten der Staatskasse ein. Allerdings muss der Angeklagte seinen Verteidiger selbst bezahlen. Doch der war sein Geld wert.

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