Schwerte – Für die junge Frau (zur Tatzeit 15 Jahre) war es ein verhängnisvoller Facebook-Chat. Völlig ahnungslos verabredete sie sich mit einem Mann (damals 18) aus Schwerte. Die Begegnung wird sie wohl nie vergessen: Sie wurde vergewaltigt.
Prozess im Jugendschöffengericht Hagen. Auf der Anklagebank sitzt ein Auszubildender aus Schwerte. Er trägt eine auffällig modische Frisur: untenherum kurz geschoren, obendrauf ein voller Haardutt. Ein großer Mädchen-Aufreißer dürfte er trotzdem nicht sein. Doch im Internet ist ja fast alles möglich. Letztendlich ging er viel zu weit und wurde jetzt dafür verurteilt. Am 18. Mai letzten Jahres war die Facebook-Freundschaftsanfrage bei ihr eingegangen: Die junge Frau nahm sie prompt an. Den Mann kannte sie aus der gemeinsamen Zeit in der Sprachförderschule Dortmund-Aplerbeck. Zwei Tage später dann ein langer Chat. Der ehemalige Mitschüler drängt auf ein schnelles Treffen. „An einer Textstelle hatte ich schon so ein ungutes Gefühl“, sagt die Frau im Zeugenstand vor Gericht, stockt – und bricht in Tränen aus. Leider hatte sie nicht auf das ungute Gefühl gehört.
Beim Fernsehen blieb es nicht
Der 25. Mai: Die beiden kommen mittags zusammen. Erst gehen sie gemeinsam in eine Eisdiele, dann fahren sie mit dem Auto zu der Wohnung seiner Eltern. Dort hat der Anklagte ein Zimmer. Man möchte einen Film im Fernsehen gucken. Die jungen Leute liegen zunächst nebeneinander im Bett. Er hat sein T-Shirt und seine Hose ausgezogen und nur noch seine Boxer-Shorts an. Zunächst wehrt sie sich noch gegen seine plötzlichen Küsse, dann nicht mehr. Er kuschelt mir ihr, nimmt sie in seinen Arm, zieht ihre Jeans aus. Als er mit seiner Hand in ihr Höschen will, wehrt sie sich heftig. Zu spät – er umschlingt sie mit seinem Arm. Im selben Moment gleitet sein Finger in ihren Intimbereich. Die junge Frau schreit laut auf. „Sie hat Ihnen deutlich zu verstehen gegeben, dass sie das nicht wollte“, klärt Richterin Ulrike Radke-Schäfer den Angeklagten auf, „doch Sie haben weitergemacht. Das ist der springende Punkt.“
700 Euro Geldbuße und Gesprächstherapie
Die Richterin karrt nach: „Warum hält man ihre Hand fest, wenn man keinen Widerstand erwartet? Ein romantisches Händchenhalten war das bestimmt nicht.“ Dass der Vorfall nicht spurlos an der Zeugin vorüberging, ist ihr noch deutlich anzumerken. Sie zittert. Kurz nach dem sexuellen Übergriff hatte ihr der Angeklagte über Facebook eine Nachricht geschickt: „Sorry, wegen gerade, wenn es etwas zuviel war. Tut mir leid, ich hab‘ nicht nachgedacht. Komm‘ gut nach Hause.“ Zu diesem Zeitpunkt saß die Geschädigte bereits zur Erstattung einer Anzeige bei der Polizei.
Das Jugendschöffengericht fällte das Urteil: Von Verhängung einer Jugendstrafe wird abgesehen. Doch der Angeklagte muss wegen Vergewaltigung 700 Euro Geldbuße (in Raten) an den Schwerter Verein „Soziale Integrationshilfe“ (VSI) zahlen. Außerdem hat er in der psychologischen Beratungsstelle der Diakonie Schwerte eine Gesprächstherapie durchzustehen. Sein Verteidiger André Hohberg (Schwerte) hatte übrigens Freispruch beantragt.